das Westfernsehen

Ab 1935 wurden in Deutschland erstmals regelmäßige Fernsehsendungen ausgestrahlt. So wurden u. a. 1936 auch Übertragungen der „Spiele der XI. Olympiade“ in Berlin „deutschlandweit“ ausgestrahlt. Sicherlich hätte die Ansagerin die wenigen Zuschauer auch persönlich begrüßen können, denn die Ausstrahlungen waren auf den Raum Berlin (zunächst) technisch bedingt, begrenzt.

Nach dem Krieg setzte sich die Geschichte des Fernsehens, nun in beiden Teilen Deutschlands getrennt, fort. In der Bundesrepublik sowie in der DDR wurden ab Dezember 1952 (Ost am 21.12. und West am 25.12.) regelmäßige Fernsehsendungen produziert und stundenweise gesendet.

Im westlichen Teil Deutschlands wurde der Siegeszug des Fernsehens durch den sensationellen Sieg der Fußballweltmeisterschaft 1954 im Berner Wankdorf-Stadion zusätzlich noch „befeuert“.
Im Ostteil Deutschlands erfolgte ein beispielloser Siegeszug nicht zuletzt deshalb, weil dadurch der Blick nach „drüben“, in den Westen ermöglicht wurde.
So verwundert es nicht, das von Anfang an, das Fernsehen im ideologischen Kampf der politischen Systeme (Sozialismus/ Kommunismus gegen den Kapitalismus/Imperialismus und umgekehrt) eine herausragende Stellung einnahm.
Die schizophrene Haltung der DDR-Bürger, tagsüber an „vorderster Front“ den Sozialismus aufzubauen, zum Teil dafür auch mit aller Kraft einzutreten und abends im heimischen Wohnzimmer heimlich das (West)Fernsehen des Klassenfeindes zu gucken, nahm damals seinen Anfang. Diese Dissonanz zwischen offizieller (zum Teil existenzsichernder) Meinung der einzelnen Bürger im öffentlichen Raum und der abendlichen, in den eigenen vier Wänden, die in den seltensten Fällen konform zu den öffentlich geäußerten stand, gehört wohl mit, neben den vielen bekannten ideologischen und wirtschaftlichen Faktoren, zu den Totengräbern der DDR.


Der Sendemast „Ochsenkopf“ steht im bayerischen Fichtelgebirge

Schon bald stellten die DDR-Bürger die immer größer werdende Diskrepanz zwischen den offiziellen Erfolgen via Presse und Rundfunk und durch das Fernsehen verkündet und den Realitäten im Täglichen angetroffenen „Wohlstand“ fest, der ihnen von „allen Seiten“ versprochen und suggeriert wurde. „Einholen, ohne Überholen“ wurde von Ulbricht verkündet, damit die Bürger der DDR bei der Stange blieben, um den „Sozialismus in den Farben der DDR“, wie dann später Honecker erklärte, aufzubauen. Der „Westen“ sollte nicht Eins-zu-Eins ökonomisch „eingeholt“ werden, sondern durch den Aufbau des Sozialismus sollte eine neue Qualität des Lebens, das nicht allein auf das Konsumverhalten abgestellt war, erreicht werden.
So weit so gut!
Viele DDR-Bürger zogen allerdings die kapitalistische Ausbeutung im Westteil Deutschlands dem Leben im Arbeiter- und Bauernparadies des Ostens vor. Millionen sind bis zum Mauerbau im August 1961 nach dem „Westen gemacht“. Sie stimmten im Kampf der Systeme mit den Füßen ab.
Die DDR-Propaganda blieb so in den 50er Jahren (aber eigentlich für die gesamte Dauer ihrer Existenz) auf Grund des immer mehr verbreiteten Westfernsehens, jederzeit gläsern, durchschaubar. Das, was am Tage verkündet wurde, konnte am Abend in der Tagesschau ob ihres Wahrheitsgehaltes überprüft werden.

Trotzdem oder gerade erst recht mussten die Eltern der Oberschüler der EOS I in Gera (Erweiterte Oberschule I, später Otto-Grotewohl-Oberschule; damals eins der zwei Gymnasien in Gera) Mitte der 60er Jahre des v. Jh. eine Erklärung in der 9. Klasse unterschreiben, in der diese garantierten, dass ihre Kinder nicht Westfernsehen schauen.

Der ideologische „Klassenkampf“ wurde an allen Fronten geführt. Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre des v. Jh. fand ein erbitterter Kampf gegen das Westfernsehen nicht nur in unserer Region, sondern DDR weit statt. Nachdem es zu Unfällen und unverhältnismäßigen Aktionen durch die FDJ kam, wurden diese Einsätze dann irgendwann eingestellt. Man konnte den Eindruck gewinnen, als dann Anfang der 80er Jahre sogar in Lusan alle Wohnungen per Kabelfernsehen neben den beiden Programmen des Fernsehens der DDR (bis 1972 Deutscher Fernsehfunk) die Westprogramme von ARD und ZDF (sowie erste Privatsender wie bspw. RTL) empfangen konnten, die Partei- und Staatsführung hätte ihren Frieden mit dem Westfernsehen geschlossen.
Wäre da nicht Karl Eduard von Schnitzler (von der Bild-Zeitung als „Sudel-Ede“ tituliert) gewesen, der die Fahne bis zum Letzten, im wahrsten Sinne des Wortes (letzte Sendung am 30.10.1989) im Fernsehen der DDR mit seinem „Schwarzen Kanal“ hochhielt, mehrfacher Fernsehliebling der Zuschauer (!) wurde, hätte man fatalerweise meinen können, alles halb so schlimm.
Weit gefehlt!

oben Ochsenkopfantenne (ARD) und unten ZDF-Antenne

„Jeder“ (bis auf die hundertprozentig Überzeugten) wollte in der DDR eigentlich Westfernsehen empfangen. Für die Hammelburg befand sich der nächste Sendemast auf dem Ochsenkopf, einem Berggipfel im Fichtelgebirge in Nordbayern. Also auch die, die geografischen Nachteile ihres (Wohn-)Standortes in Kauf nehmen mussten, wie bspw. die Bewohner von Eineborn bei Stadtroda oder von Rauda bei Eisenberg, deren Wohnorte in Tälern lagen und die nur bedingt den Westempfang hinbekommen haben. An Aufgeben, war da nicht zu denken. Es wurden allerlei „totsichere“ Technologien angewendet, um dann doch nur ein Schwarzweiß-Bild zu empfangen, dass nur erahnen ließ, was da gerade auf der Mattscheibe lief.
In diesen beiden Orten, zuerst in Eineborn, später in Rauda, werden Ende der 70er/Anfang der 80er jeweils Empfangsmasten errichtet, die nun alle verfügbaren Sender empfingen und das ganze Dorf per Kabel mit diesen versorgte.
Von Anfang 1982 an bis Ende 1983 war es dann in der Siedlung „Hammelburg“ auch so weit, dass die Bewohner mit Hör- und Fernsehprogrammen via Kabel versorgt werden konnten. Das war möglich geworden, da die Hammelburger sich mit an die Untermhäuser Anlage anschließen konnten. Diese hatten „ihren“ Mast hier auf der Hammelburg errichtet, und die Hammelburger konnten so mit am Mast und am ganzen System partizipieren.
Das Organisationstalent der „Macher“ wurde hier zur Meisterschaft gebracht, da alle, aber auch wirklich alle Beziehungen genutzt werden mussten, um so ein riesen Projekt auch zu verwirklichen. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

Aber es wurde bewerkstelligt, weil alle Bewohner an einem Strang zogen, man sich einig war und jeder seinen ihm möglichen Beitrag dazu leistete.