Die Entwicklung des Holzhauses
„Die Geschichte der Holzhäuser hat eine lange Tradition. Wo es Wälder gab, bauten die Menschen mit Holz, und wir können heute in ganz Europa noch Beweise sehen, daß diese Tradition von Spanien bis zum Balkan und von Nowegen bis nach Italien reichte.
Es gab bereits im 10. Jahrhundert Häuser, die gänzlich aus Baumstämmen errichtet waren. Diese wurden in Nowgorod und dem alten Teil von Ladoga entdeckt.
Die schlichtesten bestanden aus einem einzigen heizbaren Raum. Ein anderer war innen hinzugefügt, leichter gebaut und ohne Ofen.
Reichere Häuser besaßen einen beheizbaren Raum für den Winter und einen anderen, ofenlosen, für den Sommer. Eine dazwischenliegende Kammer verband beide.
Im Mittelalter wurden jedoch ganze Wälder durch Verbrennen vernichtet (Ausbreitung der Pest wurde der Nähe der Wälder zugeschrieben). Holz wurde deshalb ein wertvolles Material, das ökonomisch genutzt werden wollte.
Durch die Auswanderer aus Europa nach Nordamerika in den frühen Jahren des 17. Jahrhunderts gelangte die Tradition des Holzhausbau dorthin.
Er entwickelte sich in Nordamerika zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert rasant.
Im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts ermöglichte die Einführung von Maschinen neue Möglichkeiten zur Herstellung der Holzhäuser.
Deutschland hatte sich im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten im Laufe des 19. Jahrhundert zu einem Land des Steinhauses entwickelt. Dieses Vordringen des Steinhauses bewirkte eine Veränderung der Bautradition und die Bewertungsmaßstäbe.
Nur das massiv gebaute Haus galt als dauerhaft und vollwertig, das Holzhaus als vergänglich, feuergefährdet, als billig und minderwertig.
Ein Holzhaus war weniger mit Hypotheken belastbar als ein Steinhaus, man musste höhere Beträge an die Brandversicherung entrichten.
Die wirtschaftliche und ideale Konkurrenz des Steinhauses war daher erdrückend. Trotzdem hatte sich ein Rest von Sympathie für den Baustoff Holz erhalten.
Während des 19. Jahrhunderts entwickelte sich im europäischen Bürgertum eine Vorliebe für das „Schweizerhaus“.
Das schweizerische Bauernhaus mit seinem schwach geneigten Dach und reich verzierten Holzarchitektur verwandelte sich im Laufe der Jahre in eine beliebte Form des Land- und Ferienhauses in England, Frankreich und Deutschland. Schweizerhäuser wurden nach 1900 in den Villenvororten großer Städte gebaut.
Um diese Zeit wuchs das Interesse am Holzbau und seiner Schönheit auch durch die idelle Aufwertung der alten nationalen Volksbauweisen und deren Wiederaufbau im sogenannten Heimatstil sowie der Heimatschutzbewegung, die um die Jahrhundertwende einsetzte.
Die Zahl der Landhäuser und Villen im ländlichen Stil nahm zu, manches Mietshaus erhielt Ziergiebel im Holzfachwerk.
Auf dieser Basis konnte sich in Deutschland das ortsfeste Holzhaus entwickeln.
Abgesehen von Wohnbaracken, beschränkte es sich auf Bauten für Erholung des Bürgertums wie Garten-, Sommer- und Ferienhäuser, Jagd- und Berghütten.
Holzhäuser galten bis 1914 als „Luxusbauten“
Das wachsende Interesse an den Volksbauweisen nutzte die schwedische Holzindustrie, um vorgefertigte Holzhäuser in Deutschland und England anzubieten. Die Holzhäuser waren schmucklos bis auf gesägte Zierbretter am Giebel und krabbenähnliche Aufsätzen an den Giebelkanten.
Die deutsche Fachzeitschriften begannen in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, über den aufblühenden amerikanischen und skandinavischen Holzhausbau zu berichten. So gering die Einfuhr solcher Holzhäuser in Deutschland auch war, sie fielen auf und führten zu Anwürfen gegenüber der deutschen Holzindustrie, daß sie nichts entsprechendes zu bieten habe.
Eine Werft in Wolgast, die nach Einführung eiserner Hochseeschiffe sich veranlaßt sah, den Bau hölzerner Schiffe aufzugeben, hatte die Produktion von Holzhäusern aufgenommen. Seit 1868 soll sie die Einzelfertigung von Wohnhäusern, seit 1884 die Serienfertigung von Bauelementen für Gartenhäuser und Wohnhäuser begonnen haben.
Die in eine „Aktiengesellschaft für die Holzbearbeitung“ umgewandelte Werft war bemüht, den durch hohe Dächer mit verzierten Giebeln sich dem Villenstil anzupassen.
Da die Werft in alter Schiffsbautradition das sehr harte und dauerhafte Pitchpineholz verwendete, galten ihre Häuser als besonders haltbar. Das harte Holz hatte außerdem den Vorteil, im Verlaufe der Jahreszeiten wenig zu quellen und zu schwinden.
Die handwerkliche Gediegenheit der Wolgaster Häuser sprach für sich, die Nachfrage stieg. Das Unternehmen vergrößerte sich, das Produktionsprogramm wurde erweitert, die industrielle Herstellung von Fenstern und Türen wurde aufgenommen.
Das Werk entwickelte nach 1900 erstmals in Deutschland eine rationalisierte Form der Blockbauweise, um mit dem Bau der beliebten Schweizerhäuser sich einen neuen Absatzmarkt zu erschließen.
Durch Balkone und Galerien ist es seinem Zweck besonders angepaßt worden. Es wurde sehr hartes Holz verwendet, ein gewöhnlicher Nagel ließ sich in die Bohlen nicht einschlagen.
Das Werk nannte sich ab jetzt „Holzindustrie – Aktiengesellschaft – „.
Die Wolgaster Holzindustrie – Gesellschaft wandelte ihre Hausabteilung in eine selbständige Wolgaster Hausabteilung um. Man kann das Werk, als das im deutschen Holzhausbau über die Jahrhundertwende hinaus führende, bezeichnen.
Weitere leistungsfähige Holzbaubetriebe wuchsen in der Folgezeit heran, z. Bsp.
– Firma Christoph & Unmark, 1898 ging das Unternehmen mit technisch verbesserten Wandplatten zur Vorfertigung von Wohnhäusern über
– Firma Grünzweig & Hartmann, bot 1897 Holzhäuser aus Bautafeln mit Korkfüllung an.
In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg wurde die Skelettbauweise rationalisiert:
– äußere Schalungsbretter sind nicht mehr zwischen die Ständer eingeschoben worden, sondern aufgenagelt, Stoßfugen erhielten
– bis auf die Abrundungen der Brettkanten wurde auf jede Profilierung verzichtet
– der Hohlraum zwischen den Brettschichten ist mit Torfstreu verfüllt worden.
Die aus dem Villenbau übernommenen zahlreichen Vor- und Rücksprünge verschwanden zugunsten klarere Formen.
Nach dem 1. Weltkrieg trat die Bautätigkeit in den Hintergrund, die Holzpreise stiegen, man sprach von „Holznot“.
Andererseits herrschte Wohnungsnot. Die Holzindustrie verstärkte ihre Werbung. Es entstanden Werks- und Mustersiedlungen, trotzdem konnten sich auch bedeutende Produzenten nicht ausreichend auf dem Markt durchsetzen. Eine Serienfertigung großen Stils war nicht möglich.
Die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 stellte alle Errungenschaften in Frage. Die Bautätigkeit ging zurück, die Arbeitslosigkeit war im Baugewerbe am höchsten.
Auch die Zeit des Faschismus brachte keine neuen Entwicklungsansätze. Die ersten Jahre waren noch von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise geprägt. Nur beim Holzbau kam es zu einem gewissen Auftrieb durch Versuche, der wirtschaftlich stark getroffenen Forstwirtschaft aufzuhelfen.
Wiederum wurde 1933 eine Werbesiedlung für Holzhäuser errichtet und als Ausstellung gezeigt. Es herrschten vereinfachte Fachwerkbauweisen vor.
Die günstigen Verhältnisse waren nur von kurzer Dauer. Durch die riesigen Rüstungsbauten wurde Bauholz bald Mangelware.
So wurden Holzhäuser meist infolge einzelner privater Aufträge gebaut. Diese Aufträge übernahmen dann vorrangig im Territorium ansässige Handwerksfirmen, Baugeschäfte oder kleinere Firmen des Holzhausbaues.
Einige Beispiele für Baugeschäfte und Firmen des Holzbaues in der Region Gera:
Hermann Drechsler Holzhausbau Gera
Friedrich Ernst Mörschner, Dampfsägewerk, Holzhandlung, Baugeschäft Gera
Hermann Gerhardt, Baugeschäft Gera, Inh. Heinrich Taubert“
Quelle: Dokumentation Holzhäuser in Gera 1928 -1937
von OTEGAU Gera, Kepplerstr. 5, 2003